Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI), insbesondere generativer Modelle wie ChatGPT, hat seit Ende 2022 weitreichende Diskussionen über deren Auswirkungen auf alle Bereiche der Gesellschaft ausgelöst. Auch die Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen (NRW) steht vor der Herausforderung, die Potenziale dieser Technologie optimal zu nutzen und gleichzeitig die damit verbundenen Risiken zu minimieren. Als Antwort auf diese Dynamik haben drei vom Land NRW geförderte KI-Projekte – KI:edu.nrw, KI:connect.nrw und Open Source-KI.nrw – ein gemeinsames KI-Strategiepapier NRW 2.0 erarbeitet. Dieses Papier wurde dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft sowie der Digitalen Hochschule NRW übergeben und dient als entscheidender Impuls und Diskussionsgrundlage für zukünftige landes- und hochschulpolitische Entscheidungen.
Die Ausgangslage: Herausforderungen und Potenziale generativer KI
Generative KI-Systeme bieten vielfältige Anwendungsmöglichkeiten an den Hochschulen, etwa beim Verfassen von Texten, der Auswertung von Forschungsdaten oder der Unterstützung von Verwaltungsprozessen. Die Einführung dieser Technologien ist jedoch mit komplexen Fragestellungen verbunden. Zu den zentralen Herausforderungen für die NRW-Hochschulen zählen die Entwicklung von KI-Kompetenz, der Aufbau und die Wartung der notwendigen technischen Infrastruktur, die Klärung rechtlicher Aspekte (insbesondere Datenschutz), die Kostenfrage sowie die Sicherstellung der digitalen Souveränität.
Der Bedarf an einer koordinierten Strategie wurde von den Leitungen der Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in NRW sowie auf Vernetzungstreffen der Hochschulen zu generativer KI deutlich geäußert. Das Strategiepapier zielt darauf ab, Antworten auf diese drängenden Fragen zu liefern und einen Rahmen für den verantwortungsvollen Einsatz von KI in Studium, Lehre, Forschung und Verwaltung zu schaffen.
Strategische Handlungsfelder und Lösungsansätze
Das KI-Strategiepapier NRW 2.0 strukturiert seine Überlegungen in drei Kernbereiche: Kompetenz, Inferenz (technische Bereitstellung) und Apps. Diese Handlungsfelder werden durch konkrete Ziele und Vorschläge für eine hochschulübergreifende Zusammenarbeit untermauert.
Kompetenzaufbau und ethische Reflexion
Ein zentrales Anliegen ist die Stärkung der KI-Kompetenz bei allen Hochschulangehörigen. Dies umfasst nicht nur den technischen Umgang mit KI-Tools, sondern auch die ethisch reflektierte Anwendung und das Verständnis der zugrundeliegenden Konzepte. Das Projekt KI:edu.nrw, angesiedelt am Zentrum für Wissenschaftsdidaktik der Ruhr-Universität Bochum, spielt hier eine Schlüsselrolle. Es bietet Informations‑, Schulungs- und Beratungsangebote an, die didaktische Konzepte, rechtliche Rahmenbedingungen und die Einordnung neuester Entwicklungen rund um generative KI für Lehrende und Studierende umfassen.
Besondere Bedeutung kommt dabei der Europäischen KI-Verordnung (KIVO) zu, die 2024 in Kraft getreten ist. Hochschulen müssen die KIVO beachten, wobei Artikel 4 zum Aufbau von KI-Kompetenz bereits gilt. KI:edu.nrw bietet hierzu spezifische Schulungsangebote und klärt grundsätzliche Rechtsfragen für den Bereich Studium und Lehre.
Technische Bereitstellung: Autonomie und Synergie
Die technische Bereitstellung generativer KI-Dienste ist ein weiteres Kernelement der Strategie. Das Land NRW fördert hier eine Bereitstellungsstrategie mit zwei parallelen Entwicklungspfaden:
- Zugang zu kommerziellen Diensten: Kurzfristig soll ein hochschulübergreifendes Angebot zur Erschließung kommerzieller KI-Dienste wie ChatGPT aufgebaut werden. Hierfür ist ein datenschutzkonformer, landeszentraler Einstiegspunkt geplant, der optional allen Hochschulen zur Verfügung stehen soll. Das Projekt KI:connect.nrw, unter Federführung der RWTH Aachen University, arbeitet an einem zentralen Web-Interface und stellt ein umfangreiches Dokumentenpaket zur Einführung von KI-Diensten bereit, das auf den Erfahrungen mit ChatGPT an der RWTH Aachen basiert.
- Zugang zu Open Source-KI: Als zweites Standbein wird die Sondierung und Erprobung von Open Source-KI-Lösungen vorangetrieben. Dies umfasst die Pilotierung eines skalierbaren Open Source-Prototyps, der auf die im Aufbau befindliche High Performance Computing-Infrastruktur (HPC.NRW) des Landes zurückgreifen soll. Die Ruhr-Universität Bochum und die Universität zu Köln verantworten dies im Rahmen des Projekts OpenSource-KI.nrw.
Beide Ansätze sollen perspektivisch über einen gemeinsamen zentralen Zugang nutzbar sein. Ziel ist es, den Hochschulen kurzfristig Zugang zu leistungsstarken Systemen zu ermöglichen und gleichzeitig die Möglichkeit zur digitalen Souveränität in sensiblen Anwendungsfeldern zu wahren. Die Kooperation der Projekte und der damit verbundene Aufbau von landesweiten Kompetenzstellen sollen die Hochschulen bei der Beschaffung, Bereitstellung und Nutzung generativer KI-Dienste unterstützen.
Entwicklung von Apps und Anwendungsfällen
Der dritte Handlungsbereich befasst sich mit der Entwicklung und Integration von KI-Anwendungen (Apps) in Lehre, Forschung und Verwaltung. Dies beinhaltet nicht nur die Nutzung bestehender Tools, sondern auch die Förderung der Entwicklung eigener, bedarfsgerechter Lösungen. Die Strategie betont die Notwendigkeit, Prozesse zu dokumentieren und Mitarbeitende zu sensibilisieren, während gleichzeitig interne Richtlinien für den Umgang mit generativer KI entwickelt werden. Muster für Dienstvereinbarungen, wie sie die FernUniversität in Hagen zur Nutzung von KI-Systemen geschlossen hat, bieten hier wertvolle Orientierung.
Autonomie und Synergie als Leitprinzipien
Das Strategiepapier legt großen Wert auf zwei zentrale Leitprinzipien: Autonomie und Synergie.
- Autonomie: Die NRW-Hochschulen sollen möglichst selbstbestimmt über den Einsatz von KI entscheiden können. Das bedeutet, sie sollen nicht nur KI-kompetent agieren, sondern auch unabhängig von einzelnen kommerziellen Anbietern sein. Dies wird durch die Bereitstellung von Open Source-Alternativen und die Fähigkeit zur kritischen Reflektion kommerzieller Angebote gefördert.
- Synergie: Angesichts der sehr ähnlichen Herausforderungen, vor denen alle Hochschulen stehen, soll durch intensive Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen und externen Akteuren eine ressourceneffiziente Arbeitsweise gewährleistet werden. Die gemeinsame Entwicklung von Lösungen und der Austausch von Best Practices sind entscheidend, um doppelte Arbeit zu vermeiden und die Kräfte zu bündeln.
Fazit
Das KI-Strategiepapier NRW 2.0 stellt einen bedeutenden Meilenstein für die Gestaltung der Zukunft der Künstlichen Intelligenz an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen dar. Es adressiert die drängendsten Fragen und Herausforderungen im Umgang mit generativer KI und bietet konkrete Handlungsfelder und Lösungsansätze. Durch die Fokussierung auf Kompetenzentwicklung, eine duale Bereitstellungsstrategie (kommerzielle und Open Source Lösungen) sowie die Prinzipien von Autonomie und Synergie, legt das Papier den Grundstein für einen verantwortungsvollen, innovativen und zukunftsorientierten Einsatz von KI in Lehre, Forschung und Verwaltung in NRW. Die Umsetzung dieser Strategie wird entscheidend sein, um die Hochschulen des Landes optimal für die digitale Transformation zu rüsten und ihre Rolle als Treiber von Bildung und Innovation zu festigen.
Weiterführende Quellen:
KI-Strategiepapier für NRW-Hochschulen | Newsportal – Ruhr-Universität Bochum
Neues KI-Strategiepapier für die NRW-Hochschulen – KI:edu.nrw
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