KI im Job: Chancen und Pflichten für Arbeitgeber

Mit der zuneh­men­den Inte­gra­ti­on von Künst­li­cher Intel­li­genz (KI) in die Arbeits­welt ste­hen Arbeit­ge­ber vor neu­en Her­aus­for­de­run­gen, aber auch Chan­cen. Ins­be­son­de­re sog. Hoch­ri­si­ko­sys­te­me, die z. B. beim Recrui­ting, der Zuwei­sung von Auf­ga­ben oder Leis­tungs­be­wer­tun­gen von Arbeit­neh­mern zum Ein­satz kom­men, bie­ten gro­ßes Poten­zi­al. Die KI-Ver­ord­nung (VO 2024/1689) der Euro­päi­schen Uni­on (EU) defi­niert kla­re Anfor­de­run­gen an das Anbie­ten und Betrei­ben sol­cher Sys­te­me. Arbeit­ge­ber, die Hoch­ri­si­ko­sys­te­me ein­set­zen, müs­sen sich sowohl der Chan­cen als auch den Pflich­ten bewusst sein, die mit die­ser Tech­no­lo­gie ein­her­ge­hen. In die­sem Arti­kel wer­fen wir einen Blick auf bei­de Aspek­te.

Hochrisikosysteme im HR-Bereich

Bevor Arbeit­ge­ber Maß­nah­men ergrei­fen kön­nen, müs­sen sie zunächst fest­stel­len, ob die von ihnen ange­bo­te­nen oder genutz­ten KI-Sys­te­me als Hoch­ri­si­ko­sys­tem ein­ge­stuft wer­den.
Ob ein KI-Sys­tem als Hoch­ri­si­ko­sys­tem ein­ge­stuft wird, hängt nach der KI-Ver­ord­nung maß­geb­lich von sei­ner Zweck­be­stim­mung, den Ver­wen­dungs­mo­da­li­tä­ten sowie den mög­li­chen Gefah­ren für Grund­rechts­ein­schrän­kun­gen bei den Nut­zern ab. In Anhang 3 der KI- Ver­ord­nung sind Berei­che und Anwen­dungs­fäl­le, auch für den HR-Bereich, auf­ge­lis­tet, die aus­drück­lich als Hoch­ri­si­ko­sys­tem ein­ge­stuft wer­den, unter ande­rem:

  • Recrui­ting: KI-Sys­te­me, die gezielt Stel­len­an­zei­gen schal­ten, Bewer­bun­gen sich­ten oder fil­tern und Bewer­ber bewer­ten
  • Zuwei­sung von Auf­ga­ben an Mit­ar­bei­ter
  • Beob­ach­tung und Bewer­tung der Leis­tung und des Ver­hal­tens von Mit­ar­bei­tern
  • Beein­flus­sung der Ent­schei­dun­gen zu indi­vi­du­el­len Gehalts­an­pas­sun­gen, Beför­de­run­gen, Abmah­nun­gen oder Kün­di­gun­gen

Geplant ist zudem die Errich­tung einer EU-Daten­bank für Hoch­ri­si­ko­sys­te­me. Die KI-Ver­ord­nung ver­folgt zudem einen rol­len­ba­sier­ten Ansatz. Sie ver­teilt die Ver­ant­wort­lich­kei­ten ent­lang der Wert­schöp­fungs­ket­te von KI-Anwen­dun­gen und unter­schei­det zwi­schen Anbie­tern und Betrei­bern von KI-Sys­te­men. Anbie­ter unter­lie­gen stren­ge­ren Pflich­ten als Betrei­ber. In der Regel wer­den Arbeit­ge­ber als Betrei­ber ein­zu­ord­nen sein. Arbeit­ge­ber sind Betrei­ber, wenn sie ein KI-Sys­tem im Per­so­nal­be­reich in eige­ner Ver­ant­wor­tung ver­wen­den. Um Anbie­ter eines KI-Sys­tems zu sein, müss­ten Arbeit­ge­ber ein KI-Sys­tem ent­wi­ckeln oder ent­wi­ckeln las­sen und es unter ihrem eige­nen Namen in Ver­kehr brin­gen oder in Betrieb neh­men.

Chancen von Hochrisikosystemen für Arbeitgeber

Hoch­ri­si­ko­sys­te­me bie­ten Arbeit­ge­bern trotz der stren­gen Regu­lie­run­gen zahl­rei­che Chan­cen. Der geziel­te Ein­satz sol­cher Sys­te­me kann dabei hel­fen, Pro­zes­se zu opti­mie­ren und fun­dier­te­re Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, wäh­rend die Anfor­de­run­gen der Ver­ord­nung gleich­zei­tig als Rah­men für Sicher­heit und Ver­trau­en die­nen.

Effizienzsteigerung und Kostenersparnis

Hoch­ri­si­ko­sys­te­me kön­nen gro­ße Men­gen an Daten in kür­zes­ter Zeit ver­ar­bei­ten und prä­zi­se Vor­schlä­ge lie­fern, etwa beim auto­ma­ti­sier­ten Recrui­ting, beim Scree­ning von Bewer­bun­gen oder bei inter­nen Talent­ma­nage­ment-Pro­zes­sen. KI kann bei­spiels­wei­se anhand von Daten­mo­del­len Vor­her­sa­gen tref­fen, wel­che Bewer­ber die höchs­te Eig­nung für eine Posi­ti­on mit­brin­gen oder wel­che Mit­ar­bei­ter Poten­zi­al für eine Beför­de­rung haben. Dies führt zu einer dras­ti­schen Redu­zie­rung der Bear­bei­tungs­zeit und der ope­ra­ti­ven Kos­ten. Arbeit­ge­ber kön­nen sich stär­ker auf stra­te­gi­sche Per­so­nal­ent­schei­dun­gen kon­zen­trie­ren, wäh­rend die KI Rou­ti­ne­auf­ga­ben über­nimmt. Ins­be­son­de­re im Recrui­ting-Bereich ist jedoch zu prü­fen und sicher­zu­stel­len, dass die KI bei ihrem Vor­ge­hen nicht gegen das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) ver­stößt, indem z. B. Bewer­ben­de einer bestimm­ten Alters­grup­pe oder eines bestimm­ten Geschlechts beson­ders posi­tiv bewer­tet wer­den.

Förderung von Diversität und Inklusion

Durch den Ein­satz von Hoch­ri­si­ko-KI-Sys­te­men kön­nen Arbeit­ge­ber gezielt Vor­ur­tei­le in Per­so­nal­ent­schei­dun­gen redu­zie­ren. Sol­che Sys­te­me tref­fen Ent­schei­dun­gen auf Basis objek­ti­ver Daten und Kri­te­ri­en, was dazu bei­tra­gen kann, fai­re und diver­si­täts­för­dern­de Ein­stel­lungs­pro­zes­se zu schaf­fen. Arbeit­ge­ber, die Hoch­ri­si­ko-KI-Sys­te­me im Ein­klang mit den Anfor­de­run­gen der Ver­ord­nung ein­set­zen, kön­nen so ihre Diver­si­ty-Stra­te­gien erheb­lich ver­bes­sern.

Mitarbeiterbindung und ‑entwicklung

Hoch­ri­si­ko-KI-Sys­te­me kön­nen auch in der Per­so­nal­ent­wick­lung und ‑bin­dung ein­ge­setzt wer­den, indem sie bei­spiels­wei­se die Leis­tung von Mit­ar­bei­tern ana­ly­sie­ren, Wei­ter­bil­dungs­mög­lich­kei­ten auf­zei­gen und indi­vi­du­el­le Ent­wick­lungs­plä­ne erstel­len. Dadurch wird das Mit­ar­bei­ter­en­ga­ge­ment erhöht und Talen­te wer­den gezielt geför­dert. Arbeit­ge­ber kön­nen so das Poten­zi­al ihrer Beleg­schaft bes­ser nut­zen und Fluk­tua­ti­on mini­mie­ren.

Pflichten für Arbeitgeber, die Hochrisikosysteme betreiben

Betrei­ber von Hoch­ri­si­ko­sys­te­men müs­sen eine Rei­he von Pflich­ten erfül­len. Die­se zie­len dar­auf ab, Trans­pa­renz, Sicher­heit und den Schutz der Grund­rech­te der betrof­fe­nen Per­so­nen zu gewähr­leis­ten. Zu den Pflich­ten zäh­len ins­be­son­de­re:

Vorprüfung

Eine umfas­sen­de Risi­ko­be­wer­tung muss durch­ge­führt wer­den, bevor das Hoch­ri­si­ko­sys­tem ein­ge­setzt wird. Die­se Bewer­tung soll­te poten­zi­el­le Dis­kri­mi­nie­run­gen und Ver­zer­run­gen in den Ent­schei­dun­gen berück­sich­ti­gen, die durch feh­ler­haf­te oder unaus­ge­wo­ge­ne Daten ent­ste­hen könn­ten. Außer­dem muss hier geprüft wer­den, ob das KI-Sys­tem Funk­tio­nen beinhal­tet, die nach der KI-Ver­ord­nung ver­bo­ten sind. Soll­te dies der Fall sein, ist der Ein­satz der KI zu unter­bin­den. Vor Inbe­trieb­nah­me oder Ver­wen­dung müs­sen zudem die Arbeit­neh­mer­ver­tre­ter und die betrof­fe­nen Arbeit­neh­mer infor­miert wer­den. Die­se Infor­ma­ti­ons­pflicht ist dar­auf gerich­tet, die Arbeit­neh­mer­ver­tre­ter und betrof­fe­nen Arbeit­neh­mer dar­über zu unter­rich­ten, dass sie Gegen­stand des Ein­sat­zes des Hoch­ri­si­ko-KI-Sys­tems sein wer­den.

Sicherstellung der Nutzung im Rahmen der Betriebsanleitung und Zweckbindung

Betrei­ber müs­sen geeig­ne­te tech­ni­sche und orga­ni­sa­to­ri­sche Maß­nah­men ergrei­fen, um sicher­zu­stel­len, dass die Ein­ga­be­da­ten dem vor­ge­se­he­nen Zweck des Hoch­ri­si­ko­sys­tems ent­spre­chen und hin­rei­chend reprä­sen­ta­tiv sind. Außer­dem ist zu gewähr­leis­ten, dass das Hoch­ri­si­ko­sys­tem im Rah­men der Betriebs­an­lei­tung ver­wen­det wird. Dar­über hin­aus schreibt die KI-Ver­ord­nung eine kon­ti­nu­ier­li­che Über­wa­chung des Sys­tems wäh­rend sei­nes gesam­ten Lebens­zy­klus vor.

Schulungspflichten

Ein oft unter­schätz­ter, aber nicht min­der wich­ti­ger Aspekt ist die Schu­lung der Mit­ar­bei­ter im Umgang mit Hoch­ri­si­ko­sys­te­men. Arbeit­ge­ber müs­sen sicher­stel­len, dass ihre Mit­ar­bei­ter ent­spre­chend geschult sind und die poten­zi­el­len Risi­ken und Ver­ant­wort­lich­kei­ten im Umgang mit den KI-Sys­te­men ken­nen. Dies betrifft sowohl die tech­ni­sche Ebe­ne (wie den Umgang mit spe­zi­fi­schen KI-Model­len und deren Sicher­heit) als auch die ethi­schen Aspek­te (z.B. die Aus­wir­kun­gen von KI-Ent­schei­dun­gen auf ein­zel­ne Mit­ar­bei­ter oder die Beleg­schaft). Die­se Ver­pflich­tung tritt, neben den ande­ren grund­le­gen­den Bestim­mun­gen des ers­ten Kapi­tels der KI-Ver­ord­nung, bereits ab dem 2. Febru­ar 2025 in Kraft.

Menschliche Aufsicht

Der Ein­satz des Hoch­ri­si­ko­sys­tems ist durch mensch­li­che Auf­sicht zu über­wa­chen. Arbeit­ge­ber müs­sen gewähr­leis­ten, dass die­se Auf­sichts­per­so­nen über die erfor­der­li­che Aus­bil­dung ver­fü­gen, bei­spiels­wei­se durch geeig­ne­te Trai­nings­pro­gram­me.

Dokumentation

Hoch­ri­si­ko­sys­te­me müs­sen eine auto­ma­ti­sche Auf­zeich­nung von Ereig­nis­sen wäh­rend ihrer Ver­wen­dung durch­füh­ren, um eine Über­wa­chung des Betriebs zu ermög­li­chen. Arbeit­ge­ber müs­sen die­se Pro­to­kol­le für min­des­tens 6 Mona­te auf­be­wah­ren.

Überwachungs- und Meldepflichten

Die Über­wa­chung eines Hoch­ri­si­ko-KI-Sys­tems ist eine zen­tra­le Pflicht des Betrei­bers, um sicher­zu­stel­len, dass das Sys­tem den Vor­ga­ben der KI-Ver­ord­nung ent­spricht. Der Arbeit­ge­ber muss regel­mä­ßig über­prü­fen, ob das Sys­tem im Ein­klang mit den recht­li­chen und tech­ni­schen Anfor­de­run­gen betrie­ben wird, um poten­zi­el­le Risi­ken zu mini­mie­ren. Soll­te es zu Ver­stö­ßen gegen die KI-Ver­ord­nung kom­men, wie bei­spiels­wei­se durch Fehl­funk­tio­nen, uner­war­te­te Ergeb­nis­se oder Dis­kri­mi­nie­rungs­ten­den­zen, ist der Betrei­ber ver­pflich­tet, den Anbie­ter des KI-Sys­tems unver­züg­lich dar­über zu infor­mie­ren. Die­se Mel­dung dient dazu, schnellst­mög­lich Kor­rek­tur­maß­nah­men ein­zu­lei­ten und die Sicher­heit sowie den ord­nungs­ge­mä­ßen Betrieb des Sys­tems wie­der­her­zu­stel­len. Zudem kann es erfor­der­lich sein, den Vor­fall auch den zustän­di­gen Behör­den zu mel­den, um den regu­la­to­ri­schen Anfor­de­run­gen der KI- Ver­ord­nung gerecht zu wer­den.

Pflichten aus anderen Rechtsnormen gelten weiterhin

Arbeit­ge­ber sind ver­pflich­tet, bei dem Ein­satz von KI alle wei­te­ren ein­schlä­gi­gen uni­ons­recht­li­chen und natio­na­len recht­li­chen Vor­ga­ben zu beach­ten. Die KI-Ver­ord­nung ergänzt die­se bestehen­den Pflich­ten, ersetzt sie jedoch nicht. Ins­be­son­de­re müs­sen Arbeit­ge­ber zusätz­lich die Anfor­de­run­gen der DSGVO ein­hal­ten, wenn per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten mit­hil­fe von KI-Sys­te­men ver­ar­bei­tet wer­den. Dazu gehö­ren vor allem:

  • Bestehen einer Rechts­grund­la­ge für die Ver­ar­bei­tung der per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten
  • Trans­pa­renz und Infor­ma­ti­ons­pflich­ten: Ver­pflich­tung, betrof­fe­ne Per­so­nen umfas­send über die Erhe­bung und Ver­ar­bei­tung ihrer Daten zu infor­mie­ren
  • Daten­spar­sam­keit und Zweck­bin­dung
  • Sicher­stel­lung der Daten­si­cher­heit sowie die Rechen­schafts- und Koope­ra­ti­ons­pflich­ten.
  • Durch­füh­rung einer Daten­schutz-Fol­gen­ab­schät­zung
  • Ver­bot auto­ma­ti­sier­ter Ein­zel­ent­schei­dun­gen wie Abmah­nun­gen oder Kün­di­gun­gen durch KI, zuläs­sig: Unterstützung/Vorbereitung sol­cher Ent­schei­dun­gen durch KI
  • Wah­rung der Betrof­fe­nen­rech­te, ins­be­son­de­re Löschungs- und Aus­kunfts­recht

Fazit

Durch die kon­se­quen­te Umset­zung der Pflich­ten kön­nen Arbeit­ge­ber die Chan­cen von KI-Sys­te­men opti­mal nut­zen, ohne dabei die Rech­te und Inter­es­sen der betrof­fe­nen Per­so­nen zu gefähr­den. Die Ein­hal­tung der KI-Ver­ord­nung ist nicht nur eine recht­li­che Ver­pflich­tung, son­dern auch ein Wett­be­werbs­vor­teil für Unter­neh­men, die ver­ant­wor­tungs­voll mit KI umge­hen. Dies stärkt das Ver­trau­en von Mit­ar­bei­tern, Kun­den und der Öffent­lich­keit und trägt zu einem nach­hal­ti­gen und ethisch ver­tret­ba­ren Ein­satz von Hoch­ri­si­ko­sys­te­men bei.

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